Wohin mit der Wut?

Ein Techniker, 50 Jahre alt, der sich mit dem Bau, der Wartung und Betreuung von Musikanlagen beschäftigt sucht mich auf, weil er unter ständigen Bauchschmerzen leidet. Er hat eine Odyssee von Arztbesuchen hinter sich, die am Ende keine ärztlich therapierbare Ursache für seine Beschwerden finden konnten.

In den zurückliegenden Jahren hatte es mehrere Anlässe gegeben, in denen berufliche Misserfolge zu Wut geführt hatten, die gegenüber Kunden oder Geschäftspartnern nicht ausagiert werden konnte.

Bei der Suche nach den Ursachen für die Schmerzen stoßen wir auf zwei grundlegende Situationen in Verlauf seines Lebens: einerseits sieht Matthias L. Bilder von erfolgreichen beruflichen oder privaten Erlebnissen. In Zeiten dieser positiven Stimmungen hat er keine Beschwerden.

Andererseits wird er mit Bildern aus seiner Erinnerung konfrontiert, in denen er Misserfolge erleidet, gedemütigt wird oder in denen Pläne, Projekte oder Vorhaben an Widerständen scheitern. Diese Situationen lassen bei ihm Wut entstehen und führen zu Bauchschmerzen, wenn er glaubt, die Wut unterdrücken zu müssen.

Eine erhellende Szene geschah in der Kindheit: Matthias L. wurde von mehreren Mitschülern körperlich attackiert und sah sich unterlegen. Er spürte eine große Wut, die er nutzte, um den Rädelsführer seiner Gegner anzugreifen und niederzustrecken. Die Wut hatte ein Ventil gefunden.
Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die entstehende Wut wahrgenommen, akzeptiert und durch einen gesellschaftlich akzeptierten Umgang bearbeitet werden soll.

Mit jeder Sitzung werden die Beschwerden geringer. Das ursprünglich geplante Mentaltraining nimmt Herr L. nicht mehr wahr, da er inzwischen beschwerdefrei ist.

Auf meine Frage, was der in den Wut erzeugenden Situationen tue, meint Herr L., er spüre der Wut nach, setze sich dann an eines seiner Lieblingsprojekte und treibe es nach Kräften voran.